Norwegen & Schweden 2025
Part 3 - Nicht Seetag - sonder "Siggi-Tag"
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Auf Kreuzfahrten würde man sagen: „Heute ist Seetag.“
Wir sagen ganz einfach: „Siggi-Tag.“ Denn manchmal ist auch das Unterwegssein selbst der Star des Tages.
Am Morgen starten wir unsere Fahrt Richtung Åsarna – von dort aus immer weiter nach Norden. Die Strecke führt uns durch Östersund, Dorotea und Vilhelmina bis nach Storuman. Je weiter wir fahren, desto dünner wird die Zivilisation – und desto wilder die Landschaft.
Und dann ist es endlich soweit: Lappland. Der Name allein klingt nach endloser Weite, Elche oder Rentiere auf der Straße und Landschaften, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Wir müssen nicht lange warten, bis wir unserer ersten Elch am Wegesrand entdecken.

Mittags halten wir an einem wunderschönen Rastplatz direkt am Fluss. Kurz den Herd angeschaltet, es gibt Nudeln mit selbstgemachter Pesto – einfach, aber gut. Die Sonne lugt kurz durch die Wolken, das Wasser plätschert gemächlich, und für einen Moment fühlt es sich an, als ob wir hier bleiben könnten.
Der Wetterbericht aus Nordland zwang uns jetzt zur ersten großen Entscheidung bezüglich unserer Routenplanung. Um eines unserer Ziele die Whale-Watching-Tour bei passablem Wetter anzugehen mussten wir „schnellstmöglich“ nach Andenes. Dafür haben wir auf einen Besuch von Tromsö verzichtet und uns für die Route über den Blåvägen nach Norwegen entschieden.
Pro: So konnten wir eines unserer Nebenziele, die Besteigung des Stetinds (norwegischer Nationalberg mit 1392 Höhenmetern) einbauen.
Contra: Senja und Tromsø entfallen auf dieser Reiseroute.
Aber das nicht alles geht war uns bereits vorher klar.
Also auf nach Mo i Rana. In Mo i Rana musste Siggi eine Runde neuen Diesel kippen und wir einen Happen essen. Als wir dann auf die E6 in Richtung Norden fuhren war Siggi glücklich betankt und wir aufgrund der späten Uhrzeit (23:00 Uhr) immer noch fürchterlich hungrig.
Es folgte die spektakuläre Überfahrt des Saltfjällets. Wir überqueren den Polarkreis – exakt bei 66°33′48.8″ N. Am Arctic Circle Center (Polarcenter) halten wir kurz an. Ein kleines Monument markiert diesen geographischen Meilenstein – und natürlich machen wir das obligatorische Foto, bevor es weiter geht über die schneebedeckte Hochebene. Es ist windig, kalt, und irgendwie auch feierlich. Denn ab jetzt sind wir wirklich im hohen Norden angekommen.

Kurz vor Fauske fanden wir einen kleinen Parkplatz auf einer Halbinsel, der als Wohnmobilstellplatz diente. Top Lage, top Platz, atemberaubender Blick auf den Saltdalsfjorden, da gab es keine zwei Meinungen. Um uns ernährungstechnisch nun auf Siggis Level und damit auch bettfertig zu machen, gab es Norrlands Guld (helles Bier aus Sollefteå) und lecker Schnittchen mit Rentiersalamie und Brunost (süßlich brauner Käse, eine norwegischen Spezialität).
Wir waren satt, zufrieden und müde.
Kurz darauf ging’s auch schon in die Kojen. Am nächsten Morgen: ausgeruht und motiviert passieren wir Fauske und genießen die eindrucksvolle Landschaft – Gipfel an Gipfel, eingerahmt von tief eingeschnittenen Tälern.

In Drag erreichen wir die zweite Fährpassage unserer Reise: 45 Minuten auf dem Wasser bis Kjøpsvik. Nach der Überfahrt sind es nur noch etwa 25 Minuten auf einer kurvigen, aber traumhaft schönen Landstraße, bis wir unser nächstes Ziel erreichen: Der Parkplatz am Fuß des Stetind – Norwegens höchstem Granitobelisk und für viele: der markanteste Berg des Landes.

Schon von unten ein grandioser Anblick auf die unglaubliche Haifischflosse aus Granit. Das Wetter ist gut, auch wenn der Hauptgipfel des Stetinds in den Wolken steckt. Unser Ziel ist natürlich nicht der Gipfel, der nur mit Kletterausrüstung bezwungen werden kann, sondern der 400 Meter niedrigere Vorgipfel Halls Fortopp der auf 1314 Höhenmeter ohne Fingerkraft und Kletterklimbim erreicht werden kann.
Die Bergluft ist kühl, der Himmel dramatisch grau und vielversprechend. Rein in die Wanderschuhe, die Jacken festgezurrt, die Rucksäcke geschultert – heute steht eine spektakuläre Wanderung auf den legendären Stetind auf dem Programm.

Schon vom Parkplatz aus wirkt der Stetind mit seiner markanten Form wie aus einer anderen Welt. Steil, schroff, mächtig. Voller Vorfreude und einer Portion Respekt machen wir uns auf den Weg – durch einen quietschgrünen, fast mystischen Birkenwald, der sich wie ein Teppich an den Berghang schmiegt.
Bald wird klar, warum die Route als „sehr anspruchsvoll – nur für erfahrene Abenteurer“ beschrieben ist. Ein tosender Gebirgsbach begleitet unseren Aufstieg, dessen Geräuschkulisse die Anstrengung fast rhythmisch unterstreicht. Die Luft ist feucht, der Weg steil, die Knie und Oberschenkel fordern bereits früh unsere Aufmerksamkeit – von der Pumpenproblematik (über 200 BPM) mal ganz abgesehen.

Aber: Mit jedem Höhenmeter wächst nicht nur unser Respekt, sondern auch die Faszination. Die West- und Südwand des Stetind schiebt sich wie ein steinernes Monument über unsere Köpfe – und lässt uns klein, aber lebendig fühlen.
Die Wanderung übersteigt all unsere Erwartungen. Einige Minuten lang waren wir nicht mehr mit Gehen beschäftigt, sondern mit Stehen und Staunen, was kaum an unserer Fitness liegen konnte. Unser Blick wanderte aufs Schneefeld, dass wir überqueren mussten um den Eissee zu erreichen.

Dann – ein grollendes, donnerndes Geräusch durchbricht die Stille. Eine Lawine rauscht an der Nachbarwand hinab, in sicherer Entfernung, aber dennoch dramatisch. Wir entscheiden uns – vernünftig und einstimmig – den Rückweg anzutreten, ohne den letzten Abschnitt bis zum See zu gehen. Ein ehrfürchtiger, aber richtiger Abbruch.
Auf unseren Abstieg entdecken wir einen riesigen Felsblock, der förmlich danach ruft, erklommen zu werden. Sebastian zögert nicht lange: Mit geschickten Griffen zieht er sich nach oben und posiert souverän am Rand der Kante, während Sven aus der richtigen Perspektive das perfekte Foto schießt – ein Gipfelmoment auf kleiner Bühne.

Der Abstieg allerdings verlangt dann doch nach Teamwork: Mit einer Mischung aus Anstand und Schadenfreude hilft Sven seinem Kameraden wieder auf sicheren Boden.
Nun will Sven selbst zum Zug kommen – aber seine Bergkarriere endet bereits beim Aufstieg. Trotz bester Unterstützung durch eine klassische „Räuberleiter“ von Sebastian rutscht er ab und verabschiedet sich mit einen „Kalabums“ ins weiche Moos. Wir lachen Tränen. Nicht hämisch – einfach herzlich. So wie man nur unter Freunden lacht, wenn niemand ernsthaft zu Schaden kommt.
Der Rückweg durchs Tal verläuft ruhig, nachdenklich, erfüllt. Die Tour hat uns alles geboten: Naturgewalt, Staunen, Spannung – und ein bisschen Slapstick im Mittelteil.
Nach ca. 7 Kilometern, 4 Stunden und 887 Höhenmetern sind wir zurück bei Siggi erschöpft, aber glücklich. Und sicher: Diese Wanderung wird keiner von uns so schnell vergessen.
Was die Euphorie so einer Tour so verzapfen kann, haben wir bereits 2017 nach unserer Tour auf den Besseggen erlebt. So entscheiden wir uns kurzer Hand, die beiden Fähren von Skarberget nach Bognes und von Bognes weiter nach Lodinge inklusive der 175 Kilometer nach Andenes direkt im Anschluss anzugehen. Kein Fehler wie sich herausstellen sollte.

Die Gegend ist einfach atemberaubend, wir schnacken über das erlebte, schießen ohne Ende Fotos und Siggi rollt und rollt. Die geplante Ankunftszeit von ca. 1:30 Uhr verschiebt sich durch zwei endlose Baustellen und, kurz vor dem Ziel, noch durch ein ausgedehntes Fotoshooting mit den Elchen 5-21!!! Einfach der Wahnsinn. Selenruhig liegen und stehen sie entlang der Küste in einigen Gärten und fressen den Anwohnern die Blumen vom Tisch.

Der Wetterbricht kann nicht besser sein. Deshalb stellen wir und gegen 3 Uhr morgens direkt auf den Parkplatz bei Whalesafari Andenes und legen gekonnt einen 4 stündigen Powernap ein um für unsere RIB-Boot-Tour um 9 Uhr gewappnet zu sein.
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